Zusammen Medienerziehung lernen

„Die Sache mit den Medien“ sitzt mir tief eingebrannt in meinem Herzen.
Seit ich denken kann, habe ich mich selbst abgewertet – wegen meiner Sehnsucht nach dem Konsum von Medien.

Ich dachte immer: „Es ist zu viel, du kannst doch nicht so viel!“ und habe sogar, als mein erster Sohn geboren wurde, meinen Medienkonsum während seiner Wachzeiten fast auf null heruntergefahren.

Dann sind K1, K2 und K3 in meine Welt geflogen – und mit den Jahren hat sich alles verändert. Schleichend habe ich von ihnen gelernt, dass wir so, wie wir sind, völlig in Ordnung sind. Und dass unsere Sehnsucht nach Medien weniger ein Problem ist. Viel mehr stellt sich die Frage, was wir mit den Medien tun.

Ich habe ein Kind, das sagt: „Ich will das nicht sehen, das tut mir nicht gut.“ Und eins, das sagt: „Ich möchte schlafen, können wir morgen weiterschauen?“
Es sind dieselben Kinder, die sagen: „Nur eine Folge“ – und dann, sieben Folgen später, auf meine Frage, warum es so viele geworden sind, antworten: „Weil wir auf dem gleichen Stand sein wollten, um dann zusammen eine neue Folge zu sehen.“
Dieselben Kinder haben im Smartphone entdeckt, was es ist: eine Schatztruhe für ihre Fragen und Wünsche.
Ich dachte 20 Jahre lang als Pädagoge, dass Medien für die Entwicklung schädlicher sind, als sie nützen. Ich dachte, Langeweile ist gut für die Entwicklung – egal, wie weh sie tut.
Heute, mit meiner Diagnose von ADHS und der Frage, ob ich Autismus haben könnte, merke ich: Es ist doch alles etwas anders.
Wichtig ist, dass wir zusammen lernen, mit Medien umzugehen. Wir dürfen unsere eigenen Grenzen formulieren – genauso wie wir auch unsere Sehnsüchte benennen sollten. Wir sollten einander vertrauen und als Eltern um Himmels Willen unsere Kinder niemals alleinlassen (im Netz oder am Handy), nur damit Ruhe ist.
Ich würde ja mein Kind auch nicht in New York sagen, hier meine Kreditkarte und viel Spass. Alleine meine ich hier, ohne Begrenzung von Content und Alter.

Auf dem Foto bin ich mit K2, und wir hören mit meinen AirPods ihre Lieder.
Ich lerne so ihre Welt kennen – und sie lernt, dass es okay ist zu hören, und dann eben auch wieder nicht, weil anderes gerade wichtiger ist.
Ich will uns Mut machen, darauf zu vertrauen, dass Kompetenzen entstehen, wenn wir miteinander leben.
Wenn wir nur verbieten und verteufeln, bringt das wenig.
Wie würde es mir wohl heute gehen, wenn ich das früher gefühlt hätte: Es ist völlig in Ordnung, wenn ich zocke – auch sechs, acht oder wie viele Stunden auch immer?

Ich würde entspannter durchs Leben gehen. Dass Aufgaben wichtig sind, habe ich gelernt. Ich habe ganze Wochenenden durchgezogen, und auch heute spiele ich regelmäßig.
In Rücksicht auf meine Umwelt und meine Kinder.
Und ich habe herausgefunden, dass Medien mir helfen, mich selbst zu regulieren.
Die Wahrheit ist: Hätte ich nicht meinen Walkman/Discman gehabt, hätte ich die Welt mit all ihren Reizen nicht überlebt. Hätte ich keine Filme/Serien gehabt, wären meine Inseln des Paradieses nie da gewesen.
Und hätte ich nicht Computer gespielt, wäre niemals Ruhe in meinen Kopf eingezogen.
Medien waren meine Rettung – vor der Flucht in andere, viel gefährlichere Bereiche.
Ich mochte immer Bewegung und habe sechs Jahre Leistungssport gemacht. Und weil ich 2,5 km zum Zug laufen musste, hatte ich Bewegung jeden Tag. Mein Glück, mein Nirwana – und anderes war auch dabei.
Ich will dich ermutigen zu verstehen, dass hinter jeder Mediennutzung Menschen stecken, die Bedürfnisse haben.
Perfekte Erziehung gibt es nicht. Auch ich scheitere regelmäßig an den Konflikten in unserer Familie.
Aber wir lernen gemeinsam. Und mein tiefer Glaube ist, dass ich eines Tages begreifen werde, was vielleicht bei mir möglich gewesen wäre – wenn mich jemand gesehen hätte. Wenn meine Kinder groß sind.
Denn was ich heute schon sehe, sind vier wundervolle, völlig verschiedene Menschen, die Medien lieben – jeder auf seine eigene Art.
Aber sie lieben eben auch das Malen, Spielen, Reden, Lernen und die Schule.
Wir sind alle mehr als Medien.
Am Ende hoffentlich Menschen, die sich AirPods teilen.

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